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Schlechte Laune? Was für eine Frage. Während eines Konzerts von Max Raabe & dem Palast Orchester bestimmt Niemand. Genauso erging es mir und den Zuschauern in der gefüllten Sparkassenarena in Landshut vorletzten Freitag. Nachdem ein Konzert des Sängers schon lange auf meiner Wunschliste stand und er nun endlich mit seinem neuen Album in meiner Nähe sein sollte, bin ich gespannt losgezogen, um ihn live zu erleben. Hier nun meine Eindrücke zu einem Abend voll Nostalgie, Glück, Stilbewusstsein und wundgeklatschter Hände.

Kein Schwein ruft mich an – und sonst?

So vage im Dunkel meiner Erinnerung schwimmt die Melodie des Titels, der Max Raabe 1992 scheinbar schlagartig berühmt gemacht hat. Ganz dezent glaube ich mich auch zu entsinnen, dass meine Freundinnen und ich sehr viel Spaß daran hatten dabei das Radio ganz laut aufzudrehen und uns in dramatischen Pirouetten durchs Kinderzimmer zu schwingen. Allerdings muss das ein paar Jahre später gewesen sein, schließlich war ich da erst sechs. Ich kenne Max Raabe also theoretisch schon eine halbe Ewigkeit. Sozusagen lange bevor ich meine Vorliebe für alte Musik und Vintagekleidung entdeckt habe. Während ich mich vorrangig für die 50er Jahre interessiere, spiegelt Max Raabes Repertoire Glanz und Glorie der Weimarer Republik wider. Begleitet von dem 1986 gegründete Palast Orchester holt er die zeitlosen Titel der 20er und 30er Jahre wie z.B. “Mein kleiner grüner Kaktus” oder “Dream a Little Dream of Me” auf seine unvergleichliche Art ins Hier und Jetzt.

Max Raabe: Stilsicher & elegant (Bild: Gregor Hohenberg)

Der lyrische Bariton war schon von Kindheitstagen an von dieser Zeit fasziniert, auch wenn keiner so genau weiß, woher diese Faszination kommt, so der Sänger im Gespräch mit Peter Fässlacher. Aber ebenso wie die reduzierte, vom Inhalt der Titel getragene Darbietung auf der Bühne, wäre sie einfach schon immer dagewesen.

So habe er auch bereits bei den Sketchabenden des Pfadfindertreffens zum Hochzeitszylinder des Vaters gegriffen und Stücke aus den 20er Jahren performt.

Die Eleganz von Zeitlosigkeit: Bühnenbild & Performance

Bereits mit dem ersten Schritt fühlt man sich ein bisschen in eine andere Welt versetzt. Der erste Eindruck: Opulenz und Harmonie. Auf der Bühne der Sparkassenarena thronen große Retroleuchten, von oben tauchen Scheinwerfer die weißen Musikpulte in tiefes Blau. Der Flügel glänzt dunkel, die Publikumsreihen leuchten karmesinrot. Ein wenig fühle ich mich an die Titanic erinnert, zurück in die Gegenwart holt einen nur der Blick nach oben auf die metallenen, schweren Rohrstreben der Halle, die einen gewissen Industrie-Charme versprühen. Ich habe einen Sitzplatz in der zweiten Reihe ergattert, Platz 27, gleich schräg vor mir das Mikrofon. Alles wartet gespannt auf den ersten Ton.

Das Bühnensetting kurz vor Konzertbeginn sorgt für die richtige Stimmung (Bild:ich)

Davor betritt aber erst einmal das Palast Orchester die Bühne. Wie Max Raabe – mehr oder weniger selbstironisch – sagt: Vieles an der Show erinnert an Elemente aus seinen Messdienerzeiten. Die akkurate Aufstellung der Musiker, der geordnete Ein- und Auszug. Der Sänger teilt sich die Bühne mit 12 Musiker:innen, wovon ihn viele schon seit langer Zeit begleiten. Sei es Cecilia Crisafulli, die mit bezauberndem Charisma und großem Einfühlungsvermögen die Stücke auf ihrer Violine bereichert oder Ian Wekwerth, der mit großer Spielfreude und Virtuosität am Piano die Zuschauer:innen unterhält. Für die aktuelle Show gibt es neben den Klassikern auch Titel der neuen CD, die wie bereits die letzten Eigenkompositionen einen popigeren Sound an den Tag legen, ohne den typischen Max-Raabe-Stil zu verlieren:

Dass die Vermischung der Eigenkompositionen Max Raabes mit Originalarrangements der 20er / 30er einen unterhaltsamen Konzertabend ergibt, haben Max Raabe & Palast Orchester mit ihren letzten Shows längst bewiesen. In “Wer hat hier schlechte Laune” ziehen Max Raabe & Palast Orchester nun alle Register ihres jahrzehntelang lang gereiften Könnens.

Pressetext Max Raabe & Palast Orchester zum Album & der Tour 2023/24

So hat Max Raabe in erneuter Zusammenarbeit mit Anette Humpe auch den Titelsong “Ein Tag wie Gold” zur 4. Staffel der erfolgreichen Serie Babylon Berlin geschrieben, in der er selbst kurz als Sänger zu sehen ist. Als sie den Titel anspielen erhebt sich ringsum große Begeisterung. Ein letzter Höhepunkt, bevor das Publikum in eine kurze Pause entlassen wird.

Alte und neue Lieblingssongs in schlichtem Gewand

Das gilt allerdings nur für die Art der Darbietung, die auch in der zweiten Hälfte des Konzert ein großes Vergnügen bereitet. Jung und alt feiern die Mischung aus Können, Komik und Nostalgie, die zu jeder Zeit von Max Raabe und seinem Orchester getragen wird. Dabei stehen Text und Musik der Stücke immer im Mittelpunkt. Der Künstler sieht sich als “Transporteur”, der es weder für nötig hält sich selbst noch die Inhalte der Titel dramatisch in Szene zu setzen. So sagt er auch im bereits oben genannten Interview:

Und wenn ich singe über den Mond, muss ich nicht nach oben gucken und wenn ich sage, ich hab Herzschmerz muss ich nicht so machen (fasst sich dabei ans Herz). Das haben die Leute schon im Kopf. Jeder weiß, wie der Mond aussieht und jeder weiß, wie es ist, wenn das Herz weh tut.

Max Raabe zu Peter Fässlacher

Passend dazu gibt er auch den einzelnen Kolleg:innen des Orchesters Raum. Im Laufe des Abends kann sich jeder der Musiker:innen, die teils mit mehreren Instrumenten den Abend begleiten, dem Publikum mit einem Solo präsentieren. Danach werden sie kurz von Max Raabe vorgestellt.

Das Palastorchester zusammen mit Max Raabe (Bild: Gregor Hohenberg )

Heute ist ein guter Tag, um glücklich zu sein…

So singt Max Raabe in „Guten Tag, liebes Glück“ und es könnte kein passenderes Zitat geben, um den grandiosen Abend zusammenzufassen. Durch die Reihen hinweg sah man strahlende Gesichter und so ziemlich Jeder schien nach gut zwei Stunden Konzert ein bisschen glücklicher wieder nach Hause zu gehen, als er gekommen war. Dazu beigetragen hat sicherlich die sichtbare Freude an der Musik, die Max Raabe & das Palast Orchester über das Konzert hinweg versprühten. Aber auch die wunderbar stimmigen Leinwandbilder, die die Titel untermalten oder die humorigen Anekdoten, die Max Raabe hier und da eingestreut hat. Man könnte es fast magisch nennen, dieses kurze Aus-der-Zeit-fallen, bei dem man sich mit Titeln wie “Ich steh’ mit Ruth gut” kaum auf den Sitzen halten kann und sich gleichzeitig bei wehmütigeren Stücken wegträumt. Vielleicht sogar mit dem kleinen Zeppelin der durch die Halle schwebt, während Max Raabe Dream a little dream of me zum Besten gibt:

…Sweet dreams ’til sunbeams find you /
Sweet dreams that leave all worries behind you…

Ozzie Nelson & Orchester: Dream a Little Dream of Me

heißt es da, womit wir wieder beim Thema des Abends wären. Wer hat hier schlechte Laune ist ein Anti-Schlechte-Laune-Programm. Möglicherweise ist das auch der Grund, warum der aktuelle Tour- und Albumtitel nicht als Frage formuliert ist. Sie stellt sich einfach gar nicht.

Krönender Abschluss: Max Raabe bei der Zugabe des Klassikers “Mein kleiner grüner Kaktus” (Bild: Ich)


Dank geht an die Presseagentur Hoanzl und Fotograf Gregor Hohenberg für die zur Verfügung gestellten Pressefotos. Copyright (c) verbleibt bei den jeweiligen Urhebern.

Tickets für die aktuelle Tour gibts hier: Max Raabe & Palastorchester bei eventim

Und wenn ihr noch mehr Veranstaltungsreviews lesen wollt: Lyrik über Land: Schreibworkshop & Festival – Natascha Huber (natascha-huber.de)

Seefestspiele Bregenz 2022: Puccinis Madame Butterfly – Natascha Huber (natascha-huber.de)

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Natascha Huber