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Nach der Lesereview 2023 letztens kommen wir nun zum Fun-Part: Die Lesepläne für das neue Jahr. Ja, ich weiß, ich bin etwas late to the party, aber macht nix. Die ersten Wochen des Jahres sind um und ich habe es tatsächlich geschafft, schon einige meiner geplanten Lesevorhaben umzusetzen (die ich somit nicht mehr erwähnen werde). Inspiriert von der Booktube-Community starten wir den Blogartikel mit eher allgemeinen Lesezielen. Danach gibt es meine Must-Reads für das aktuelle Jahr, die sich genau daran orientieren.

Allgemeine Grundsätze für das neue Lesejahr

1: Ich möchte mehr Klassiker lesen – wie inzwischen jeder weiß, der meinen letzten Artikel gelesen hat. Ich habe gerade in den vergangenen 1,5 Jahren gemerkt, dass mir diese Art von Literatur einfach zusagt und möchte daher gerne meinen Lesehorizont in dieser Richtung erweitern. Nachdem ich mich vorrangig für das Literatursystem der Moderne interessiere, will ich vor Allem mehr aus dieser Zeit lesen, mich gleichzeitig aber auch in anderen Epochen wie z.B. der Romantik umsehen.

2: Ich möchte internationale Literatur lesen. Bis jetzt beschränken sich meine Lesegewohnheiten sehr stark auf den deutschen Raum, weil ich das Gefühl hatte, dass es hier sowieso noch jede Menge zu entdecken gibt. Gleichzeitig möchte ich aber über den Tellerrand gucken. Daher werde ich in diesem Jahr vermehrt fremdsprachige Autor:innen lesen. Wobei ich mir bewusst darüber bin, dass die Auswahl vorerst sehr von westlicher Literatur geprägt sein wird und somit immer noch sehr eingeschränkt ist.

Bild: Karolina Grabowska (by Pexels)

3: Ich möchte mehr von den Autor:innen lesen, die mich bereits begeistert haben. Ich neige dazu, von einer Butterblume zur nächsten zu springen, wenn man so will. Selbst wenn ich ein Buch grandios finde, wechsle ich hinterher meist zu einem anderen Schriftsteller. Da ich aber weiß, dass es noch jede Menge Lesestoff von meinen Lieblingsautor:innen gibt, werden 2024 auch z.B. Robert Musil, Thomas Mann, Rainer Maria Rilke, Else Lasker-Schüler, Christine Lavant, Valdimir Nabokov, F. Scott Fitzgerald, Vicki Baum, Mela Hartwig, Regina Ullmann und Ödön von Horvath Beachtung finden.

4: Ich möchte wieder mehr Lyrik lesen. In den letzten Jahren habe ich mich von meinem Ursprung, der Lyrik, wirklich sehr weit entfernt. Ich lese und schreibe kaum noch. Und fühle mich ganz schlecht dabei. Ich hoffe, dass ich mich der Lyrik in diesem Jahr wieder annähern kann und möchte dazu Gedichtbände lesen, die mich beim ersten Mal besonders fasziniert und berührt haben.

5: Ich möchte mehr Bücher lesen, die mir weitere Einblicke in die Themen geben, die mich interessieren. Dazu gehören Psychologie, Philosophie, Literaturgeschichte und Persönlichkeitsentwicklung. Auch hier tummelt sich das ein oder andere Buch schon länger ungelesen in meinem Bücherregal.

15 Bücher, die ich in 2024 priorisieren möchte

Die letzten Tage bin ich noch einmal meine Digitale Bibliothek in Notion durchgegangen und habe mir Gedanken gemacht, was mich am Meisten anzieht oder bei welchen Büchern ich das Gefühl habe, es wäre der richtige Zeitpunkt sie jetzt zu lesen. Ich habe den Fokus auf Klassiker gelegt, wollte allerdings auch Bücher von meinem SUB mit in die Liste aufnehmen. So hat sich die folgende Liste ergeben. Buddy-Read-Anfragen sind übrigens herzlich willkommen.

Bücher für Leseziel 1: Deutsche (moderne) Klassiker

1: Der Golem – Gustav Meyrink (1915): Die Geschichte vereint gleich drei meiner Interessensgebiete – jüdische Kultur, Psychoanalyse und die Moderne. Ich bin also super gespannt auf die Leseerfahrung und möchte bald damit starten. Allerdings besitze ich noch kein Leseexemplar. Inhalt: In einer Prager Stadt lebt die uralte Legende des Golem weiter. Protagonist Athanasius Pernath begegnet ihm eines Tages in seiner Werkstatt und muss erleben, wie dieser Besitz von ihm ergreift.

2: Die gelbe Straße – Veza Canetti (ca. 1930, postum veröffentlicht 1990): Veza Canetti gehört zu den eher vergessenen Stimmen und ich habe sie im Zuge meiner Recherche für die Bachelorarbeit entdeckt. In ihrem Roman portraitiert sie mit bissigem Humor und Feingefühl das jüdische Alltagsleben in einer Wiener Straße und entwirft dabei ein Gegenbild zur männlichen Flaneursfigur ihrer Zeit.

3: Deutschstunde – Siegfried Lenz (1968): Seit vier Jahren geistert Lenz’ Geschichte schon durch meinen Kopf. Zu der Zeit habe ich den Roman nämlich begonnen – und nach 150 Seiten aufgegeben. Mir war Lenz’ nüchterne Sprache fast unerträglich. Die Handlung rund um Siggi Jepsen, einem schwererziehbaren Jugendlichen und seinem Vater, einem Dorfpolizisten, den Maler Nansen und die Verwicklungen mit dem Nationalsozialismus lässt mich allerdings einfach nicht los. Ich muss es also noch mal versuchen- vielleicht war es damals schlicht nicht das richtige Buch zur richtigen Zeit.

Bücher für Leseziel 2: Internationale Literatur & Klassiker

1: Verbrechen und Strafe – Fjodor Dostojewski (1866): Ich habe es ja schon in meinem Artikel zu Literaturklassikern erwähnt – dieses Werk ist dieses Jahr absolutes Muss. Endlich russische Literatur und ein absoluter Klassiker-Klassiker. Einschüchternd, lang, schwer. Aber Dostojewski gilt als Meister der psychologischen Verstrickungen und dürfte somit sehr nach meinem Geschmack sein. Verbrechen und Strafe erzählt die Geschichte des jungen Raskolnikow, der versucht über einen Mord hinwegzukommen und sich dabei den großen Fragen der Moral stellt.

2: Der Glöckner von Notre Dame – Victor Hugo (1831): Wie Les Misérables wohl einer der Romane, von dem jeder so in etwa weiß, worum es geht, aber so richtig dann doch nicht. Gerade als in den 90ern mit Disney Filmen großgewordenes Mädchen, schwirrt eine ganz eigensinnige Version der Figur des Glöckner von Notre Dame in meinem Kopf, die offensichtlich nicht viel mit dem Romanoriginal zu tun hat. Ich habe eine englische Ausgabe Zuhause und werde mich der Herausforderung ausgiebiger, fremdsprachiger Architekturbeschreibungen und düsterer Stimmung auf jeden Fall in diesem Jahr noch stellen.

3: Orlando – Virginia Woolf (1928): Ein Buch, das mit Tilda Swinton in der Hauptrolle verfilmt worden ist, kann ja eigentlich gar nicht schlecht sein, oder? Ich weiß nicht warum, aber Woolfs Roman steht bestimmt seit 7 Jahren ungelesen in meinem Regal. Dabei habe ich ihn damals auch schon gekauft, weil mich die Idee dahinter fasziniert: Der Protagonist Orlando lebt fast 400 Jahre und wechselt dabei von einer Identität zur anderen und dabei sogar das Geschlecht. Ein Roman, der scheinbar seiner Zeit weit voraus war. Dieses Jahr wird er gelesen.

Meine internationalen Klassikerprioritäten: Woolf, Dostojewski und Hugo (Bild: Ich)

Bücher für Leseziel 3: Lieblingsautor:innen

1: Die Vollendung der Liebe. Erzählung – Robert Musil (1911): Auch an dieser Erzählung bin ich in meinem Seminar zur Moderne schlicht nicht vorbeigekommen. Immer wieder hat unser Dozent Bezug darauf genommen, um Konzepte des Literatursystems zu erklären. Auch Google sagt, die Erzählung gehöre in den Bereich der “Psychologie-Fiktion” – womit wir genau da wären, wo ich mich besonders wohl fühle. Nach Die Verwirrungen des Zögling Törleß, Die Amsel und Die drei Frauen, wird die Erzählung nun also meine nächste Musil-Lektüre.

2: Die Krankheit. Eine Erzählung – Klabund (1917): Klabund fasziniert mich seit dem ersten Tag, als ich sein Portrait in Jürgen Serkes großartigem Band Die verbrannten Dichter entdeckt habe. Noch besser: Er war nicht nur ein Hans Dampf in allen Gassen, sondern auch in erster Ehe mit einer Passauerin verheiratet. In seinen Passauer Dystichen schreibt er: “Wo der Flüsse drei sich ineinander ergiessen, / Standen wir liebend gelehnt, sahn in die jagende Flut.” (Quelle: Klabund. Gesammelte Werke. Band 4, S. 606) . Da schlägt mein Herz natürlich ganz besonders schnell und auch seine Literatur begeistert mich jedes Mal wieder. Egal ob Lyrik, Prosa oder sonstiges. Höchste Zeit also für eine weitere Lektüre.

3: This Side of Paradise – F. Scott Fitzgerald (1920): Kurzes Geständnis vorneweg – Ich habe vor fünf Jahren den Gatsby gelesen und fand nix Besonderes daran. Dafür habe ich dieses Silvester den Film geguckt und kurz vor Mitternacht Rotz und Wasser geheult. So kanns gehen. Meine zweite Lektüre mit Zärtlich ist die Nacht fand ich jedenfalls von Anfang an besonders überzeugend, sodass ich mich als nächstes an eines seiner Werke im englischen Original wagen möchte. In This Side of Paradiese begleiten wir mit Amory Blaine einen ambitionierten jungen Schriftsteller, der in die große Welt zieht, um sie – und seine Traumfrau – zu erobern. Dabei findet er sich desillusioniert in einer Wirklichkeit wieder, in der weder die Schriftstellerei noch die Liebe so wollen wie er.

Bücher für Leseziel 4: Back to the roots. Lyrik.

1: Gesammelte Gedichte – Tomas Tranströmer (Buch 1997, Tranströmer *1931 / +2015): Eine Wucht an Sprache und Bildhaftigkeit. Ich weiß gar nicht, warum ich die Lektüre abgebrochen habe. Spätestens seit ich seinen Zyklus Ostseen (1974) gelesen habe, bin ich überzeugt davon: Wenn er die Liebe zur Lyrik in mir nicht wieder entfachen kann – dann kann es Niemand.

2: Unter dem Wacholder – Nadja Küchenmeister (2014): Nadja Küchenmeisters Sprache ist magisch und schonungslos gleichzeitig. Ich kann mich gut an dieses tiefe Gefühl des Berührt-Seins erinnern, als ich ihren Gedichtband das erste Mal gelesen habe. Genau dieses Gefühl sollte es sein, was ich jetzt brauche, um meine Liebe für die lyrische Sprache neu zu entdecken.

3: Sämtliche Gedichte – Sarah Kirsch (Buch 2005, Kirsch *1935 / +2013): Sarah Kirsch hat für mich in ihrer Sprache etwas Erdiges und Rissiges, das mich ebenfalls berührt und schockiert. Ich kann mich entsinnen, dass ich die Lektüre sehr genossen habe. Außerdem habe ich auch noch in Erinnerung, dass der Band sehr erzählerische Elemente enthält, was ich generell sehr mag.

Meine Lyriklieblinge: Tranströmer, Kirsch und Küchenmeister (Bild: Ich)

Bücher für Leseziel 5: Wissen & Interessen

1: Start with Why – Simon Sinek (2011): Der mittlerweile international bekannte Speaker Simon Sinek hat zu Beginn seiner Karriere ein ganz einfaches Konzept erkannt. Die meisten Unternehmen wissen und kommunizieren zwar WAS und WIE sie etwas tun, aber nicht WARUM. Genau das ist aber der Schlüssel zum Erfolg. Dasselbe gilt für uns als Privatperson. In seinem Bestseller geht es darum, herauszufinden, was unser eigenes WARUM, also unser Lebenssinn, ist, und wie wir es nutzen können, um unser Leben zu gestalten.

2: Einzeln sein. Eine philosophische Herausforderung – Rüdiger Safranski (2022): Was bedeutet es, sich selbst treu zu sein? Einsamkeit und Ausgrenzung? Oder Selbstverwirklichung und Revolution? Genau das illustriert Safranski am Beispiel berühmter Philosoph:innen, die für ihre Ideen und ihr Lebensideal zwischen genau diesen Extremen changieren. In dem Buch beschäftigt er sich mit Luther, Diderot, Rousseau, Arendt, Huch u.v.m. und verspricht eine Schatzkiste an philosophischen Lebensentwürfen.

3: Drei Aufsätze über den inneren Konflikt – Otto Gross (1920): Ebenfalls im Rahmen meiner Recherche für die Bachelorarbeit entdeckt. Gerade viele Schriftstellerinnen des Expressionismus schienen sich zu den Thesen Gross’ hingezogen zu fühlen, der als Schüler Freuds begann und als Gegner dessen endete. Seine Ideen von psychopathologischen Erscheinungsformen basierend auf gesellschaftlichen und erzieherischen Einflussfaktoren statt, wie von Freud konstatiert, geschlechtlicher Kondition, waren progressiv und provokant. Seine Ausätze basieren genau auf diesem revolutionärem Konzept.

Leselisten – Quatsch oder Kompass?

Fun Fact: Ich habe diesen Artikel vor ca. zwei Wochen begonnen und schon jetzt merke ich, dass die Motivation, die ursprünglich ausgewählten Werke zu lesen, nachlässt. Die Frage, ob solche Listen Sinn machen, ist also berechtigt. Lesen ist oft Stimmungssache. Trotzdem glaube ich, dass es eine gute Idee ist, sich einen Fokus zu setzen – genau deswegen. In erster Linie sollte man lesen, worauf man Lust hat. Unabhängig von Trends oder dem Glauben, gewisse Bücher gelesen haben zu müssen.

Die Mischung macht es also. Vielleicht muss man zu seinem Glück gezwungen werden. Letzen Endes hat man die Liste aus Gründen aufgestellt. Und die vergisst man vor lauter Möglichkeiten gerne. Ich will sie also nutzen, um immer wieder zurückzukehren zu dem, was ich wirklich mag und brauche. Manchmal fühle ich mich nicht danach. Dann kann die Liste helfen. Und nicht zuletzt macht es einfach einen Heidenspaß, sie zu erstellen. Wie sieht es also bei euch aus? Gibt es Lese-To-Do-Listen? Oder Prioritäten? Und wonach wählt ihr aus? Erzählt mir alles. Ich freue mich darauf, von euren Lese – oder Nicht-Lesepläne zu hören und wünsche uns allen ein besonders inspirierendes und erfüllendes Booknerd-Jahr 2024!


Falls ihr den Artikel zur Lesereview verpasst habt: Ein Jahr in Büchern: Lesereview 2023 – Natascha Huber (natascha-huber.de)

Und wenn ihr euch mehr für mentale Gesundheit interessiert: Austherapiert. Zeit, die Welt zu erobern? – Natascha Huber (natascha-huber.de)

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Natascha Huber