Einen Tag vor dem Auftritt im Circus Krone München wurde Paul Panzer seiner Tasche samt Blümchenhemd beraubt. Gut, dass der Kölner Comedian nicht nur mit seinem Markenzeichen überzeugen kann und das Publikum am 8. Juni trotz tosendem Regen im Hintergrund und der im Olympiastadion donnernden Heavy Metal-Klänge ganz unverblümt durch die Highlights seiner Midlifekrise geführt hat. Ein Abend über Imkerambitionen, Teenager-Krisen und 12-Zonen-Matratzen.
Rrrrrrrrichtiiiig: Mit Mitte 40 geht`s bergab
Dabei stellt Paul Panzer gleich von Anfang an klar – wir Frauen seien da mit unseren Wechseljahren ja wirklich glimpflich davon gekommen. Aber er, pardon, alle Männer, die hätte es richtig schlimm erwischt. Während Frauen schon frühzeitig gegen den bereits bei Geburt einsetzenden, körperlichen Verfall vorgingen und dabei keine Mühen scheuten, übersähen Männer die Notwendigkeit schlichtweg. Die Flasche Rohrfrei in seinem Badeschrank ist Zeuge davon. So erzählt Paul Panzer von der erstaunlichen Präzision der Frau gegen alles ein Mittelchen oder eine Creme oder zur Not auch Cellophanfolie zu haben. Und die passende Bezeichnung. Spätestens als er ausholt, um Ehefrau Hildes Bemühungen zu erläutern, dem “Winkearm” – der “kleinen Schwester vom Truthanhals” – Herr zu werden, hat er alle Lacher auf seiner Seite.
Generell gilt: Das Familienleben ist nicht mehr das, was es war. Die Frau im Schlafzimmer mutiert zur albtraumhaft-ausgeleuchteten Nachteule überm Ebook-Reader, während er versucht auf der neu erworbenen 12-Zonen-Matratze zu schlafen. Und zwar spätestens um 21 Uhr und auf den ihm von Hilde zugewiesenen zwei Zonen plus Bettrand. Die Kinder verstecken ihn bei Besuch von Freunden samt Brokkolisuppe unter der Treppe und wollen plötzlich nicht mehr vor der Schule abgesetzt werden. Als wäre das Dilemma noch nicht groß genug, bringen sie eines Tages auch noch ihre erste Liebe mit Nachhause. So steht Tochter Susanka irgendwann mit “ES” im Garten und verschwindet kurz darauf mit ihm aufs Zimmer. Da gerät die heile (Männer-)Welt natürlich ins Wanken. Das Publikum versteht und grölt.
Für die Herren der Schöpfung: Aktivismus statt Strandfigur
Was macht MANN also, wenn ihm alles entgleitet? Natürlich: Ein neues Hobby. Alles mögliche habe er ausprobiert, so Paul Panzer. Von Kitesurfen bis Imkern. Am Ende macht schließlich Versuch klug und der Keller sei groß genug. Das Publikum amüsiert sich köstlich bei der Vorstellung, wie Paul Panzer im enganliegenden Neoprenanzug am Strand versucht den richtigen Luftschwung abzupassen. Oder an anderer Stelle eine Lieferung von 90 Bienenvölkern vor der Haustür stehen hat, nachdem er seine Spezialorder über Amazon schon wieder verdrängt hatte. Aber auch seiner Familie versucht er sich wieder anzunähern. So erzählt er von Erlebnissen mit seinem konservativ-rebellischen Vater oder einem Schul-Boot-Trip der abenteuerlichen Art.
Die Zuhörer:innen im Circus Krone feiern Paul Panzers Humor. Immer wieder hallt lautes Lachen aus der ein oder andren Ecke nach, das der Comedian verschmitzt kommentiert: “Da haben wir dann alle länger was von, wenn es etwas dauert, bis es da hinten ankommt.” Zwischendurch interagiert er locker mit dem Publikum, grinst schelmisch in die Gesichter der ersten Reihe. Flexibel und souverän manövriert er die Jokes durch den Abend und zeigt: Der Künstler weiß, was er tut.
Paul Panzers Pointen sind trocken, schroff, selbst-ironisch. Mit seiner Bühnenfigur bewegt er sich irgendwo zwischen liebevoll, chaotisch und gesellschaftskritisch. Da mag die ein oder andere Anekdote mal dezent am Klischee vorbeischrammen, die ein oder andere Passage nicht ganz mit dem aktuellen Genderdiskurs konform sein. Aber sie sind weit entfernt von Eindimensionalität. Der gelernte Schweißer, der zudem Musik- und Medienpädagogik studiert hat, verfügt über Sprachwitz und eine Rhetorik, die Spaß macht. Er gibt seinen Geschichten immer diese eine Umdrehung, diesen einen Twist mehr, damit sie nicht nur die Lachmuskeln sondern auch den Intellekt ansprechen.
Der Held im Blümchenhemd: Mehr als 20 Jahre Comedygeschichte
Auch wenn das Blümchenhemd an diesem Abend fehlt – Paul Panzer hat damit als schusselige und manchmal auch ambivalente Bühnenfigur ein Stück Comedygeschichte geschrieben. Bekannt geworden ist der Comedian mit dem prägnanten Sprachfehler durch seine Scherzanrufe im Radio, bevor er als Stand-up-Comedian auf die Bühne wechselte. Sein erstes Solo-Programm “Heimatabend deluxe” wurde 2007 auf RTL ausgestrahlt, eine eigene TV-Show und viele Gastauftritte folgten.
Ich kann mich gut an die Abende vor dem Fernseher und meine Lachflashs erinnern. Zu der Zeit war ich gerade mal 15 und damit wahrscheinlich im Alter seiner Kinder Susanka und Bolle, die inzwischen ebenfalls Kultstatus erreicht haben. Wir werden also Alle alt, nicht nur unser Lieblings-Comedian. Der scheint das allerdings schon vor seinem aktuellen Programm erkannt zu haben und tauschte vor einigen Jahren das orange Blümchenhemd gegen eine dezentere Version in grau. Gut sieht er damit allemal aus. Und auch an Humor hat er über die Jahre nicht eingebüßt.
Time to say goodbye: Vorletzte Tour
Umso bedauernswerter ist es, dass Paul Panzer während der Zugabe das Ende seiner Comedy-Karriere ankündigt. Nach Midlife Crisis wird es nur noch ein weiteres Programm geben. Mit APAULKALYPSE – Jede Reise geht einmal zu Ende will sich der Comedian von der Bühne verabschieden. Und zwar wirklich, betont er nachdrücklich, nicht so wie Howard Carpendale. Vielleicht ist das auch der Grund, warum er zwischendurch ein bisschen müde wirkt oder manchmal gefühlt etwas zu schnell durch eine der Pointen huscht. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass München die letzte Station der aktuellen Tour ist und nach unzähligen Shows mit Midlife Crisis nun einfach ein bisschen die Luft raus. Oder es ist das fehlende Hemd, wer weiß.
Dafür packt Paul zur Zugabe aber noch seine Gitarre aus und gibt sein Talent als Ausnahmemusiker mit Fremdsprachenkenntnis zum Besten. Die These: Musik verbindet. Und beeindruckt die Mädels. Sozusagen unverzichtbare Skills, vor Allem in Jugendtagen. Wenn man des Englischen oder Französischen nicht mächtig ist, reicht es auch für den Effekt ein paar kluge Vokabeln einzustreuen, so der Comedian. Deshalb endet das letzte Liebeslied auch mit “Oui Oui Oui” und französischem “Bechamel”. Das Publikum klatscht sich verrückt und lacht Tränen.
Zum Abschied winkt Paul Panzer kurz in die Runde und verschwindet hinter dem Vorhang. Die Hoopers (Bühnen-)Kulisse steht leer, der “Nachtschwärmer” geht Nachhause, seine Gäste auch. Zu hoffen ist, dass Paul Panzer uns noch als Spaßvogel bei der ein oder anderen Fernsehsendung erhalten bleibt. Egal ob kochend, singend, grummelnd – das Publikum wird ihn feiern.
Titelbild: (c) Paul Panzer, aus dem offiziellen Pressematerial. Vielen Dank für die Bereitstellung durch die Künstleragentur Hoanzl.
Wer nun Lust hat, die letzte Chance noch mal zu nutzen, um Paul Panzer live zu sehen, findet die Tickets der kommenden Tour hier: eventim.de/Paul Panzer
Wer lieber etwas über Schauspiel und den großartigen Lars Eidinger lesen will: Lars Eidinger – Sein oder nicht sein. – Natascha Huber (natascha-huber.de)
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